Halbzeitbilanz:

Die Überraschung der Saison

Das hat vor der Saison niemand erwartet. Die SCL Tigers sind nach der Hälfte der Spielzeit nahe an den Pre-Playoffs dran. Diese ebenso unerwartete wie erfreuliche Entwicklung hat verschiedene Gründe. Wir schauen etwas genauer hin.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Schade, haben "wir" die Berner nicht noch ein drittes Mal geputzt. Dabei waren die Tiger am Donnerstag in der Hauptstadt zuerst gut unterwegs. Letztendlich waren wohl die Strafen entscheidend. Aber dies soll uns nicht weiter beschäftigen. Denn wir sind genau in der Mitte der Qualifikation angelangt. Zeit für eine Bilanz.

Die nüchternen Fakten: Die Emmentaler weisen nach 26 Spielen 31 Punkte aus bei einem Torverhältnis von 65:83. In der Vorsaison stand die Mannschaft nach ebenfalls 26 Spielen bei 23 Punkten und einem Torverhältnis von 79:93. Am Ende der Saison und nach 50 Spielen waren es dann 35 Punkte und ein Torverhältnis von 129:205.

Ich orientiere mich am liebsten an den effektiv erzielten und erhaltenen Treffern und an den Punkten. Statistiken wie Schüsse aufs Tor und expected Goals etc. sind für mich nicht weiter erheblich. Ich stelle mich auf den Standpunkt, dass wenn solche Statistiken relevant sein sollen, man sie in Zusammenhang bringen muss mit den gewälten Spielsystemen und Taktiken der einzelnen Mannschaften. Defensiv eingestellte Teams mit hoher Abschlusseffizienz sammeln zwar eventuell fleissig Punkte, sehen aber auf den Statistiken schlecht aus. JournalistInnen interpretieren dann immer, dass das eine Team eigentlich hätte gewinnen, bzw. das andere hätte verlieren sollen. Dass eventuell zwei Teams mit völlig unterschiedlichen Spielideen aufeinandergetroffen sind, wobei eines die seine besser umgesetzt hat, sehen sie nicht. Am Ende gewinnt jedoch immer die Mannschaft mit mehr erzielten Toren auf dem Konto. Über diesen Umstand hilft keine Statistik hinweg.

Wenn man die Leistung einer Mannschaft bewerten will, so muss man entweder ein Experte sein oder sich eben an dem orientieren, was man vorliegen hat. Bei mir sind das Punkte sowie erzielte und erhaltene Tore, denn ich bin ja kein Experte. Meine Bewertung der Leistung bringe ich deshalb in Zusammenhang mit den Erwartungen, die man allgemein und auch ich selbst vor der Saison hatten. Zudem vergleichen wir das vorliegende Ergebnis mit der letzten Saison. Schliesslich versuchen wir dann trotzdem noch - aus Laiensicht - eine Analyse, woran dies liegen könnte.

Besser als erwartet

Ich gebe es zu: Ich habe vor der Saison diese Mannschaft auf dem letzten Rang erwartet. Zwar habe ich gehofft, dass die Ausländer erneut wieder - wie bereits in der letzten Saison - gut sein werden und ich war mir auch bewusst, dass durch die zwei zusätzlichen Imports mehr Qualität in die Mannschaft kommen wird, wovon ja die Mannschaften aus den hinteren Tabellenregionen etwas mehr profitieren als andere. Aber eben alle Mannschaften aus den hinteren Tabellenregionen, und nicht nur die Langnauer. Bei den Spielern mit Schweizer Pass sah ich keine wesentliche Verbesserung, während ich die Transfers der direkten Konkurrenz höher einstufte. Würde ich als Prognstiker mein Geld verdienen, müsste ich aktuell wohl verhungern, denn die Tiger straften meine Prognose Lügen. Nicht der letzte Rang ist es aktuell, sondern Rang 11. Und noch besser: Die Tiger sind überraschend nahe dran an den Futtertöpfen der Pre-Playoffs oder sogar der Playoffs. Auf Rang 8 (den SC Bern) fehlen trotz der Niederlage vom Donnerstag in der Direktbegegnung nur gerade 7 Punkte. Dass es der Katze besser läuft als erwartet, merkt man übrigens auch am Publikumsaufmarsch. War dieser zu Beginn der Saison noch enttäuschend, laufen die Zaungäste wieder deutlich zahlreicher in der Ilfishalle auf.

Der konkrete Vergleich mit der Vorsaison

Doch wie war das in der Vorsaison? Da waren nach ebenfalls 26 Spielen 23 Punkte auf dem Konto (gegenüber 31 in der aktuellen Spiezeit). Acht Punkte scheinen auf den ersten Blick nicht viel. Der Gegenwert sind aber drei Siege mehr (und drei Niederlagen weniger), was natürlich dieses Verhältnis wesentlich schönt. Auffallend ist, dass die Tiger mit diesen 8 Punkten mehr gegenwärtig auf dem 11. Rang liegen. Am Ende der letzten Saison fehlten auf ebendiesen Rang 30 Punkte. Eine Weltreise !!!

Doch wie kann das sein? Ganz einfach: in der Saison 2021/22 konnten die Eishockeyaner aus Langnau in der zweiten Saisonhälfte nicht mehr mit der vorherigen Performance mithalten, auch wenn diese schon zuvor nicht überragend war (lediglich 0,88 Punkte / Spiel). Doch danach brach die Mannschaft richtiggehend ein und realisierte in den restlichen 24 Spielen lediglich noch 0,5 Punkte pro Partie. Offensichtlich verloren die Tiger in der zweiten Hälfte der Saison ihre Disziplin. Erhielten sie damals in den ersten 26 Spielen noch durchschnittlich 3,58 Tore, stieg dieser Wert bei den restlichen 24 Spielen auf 4,83 Gegentore pro Spiel. Aktuell liegt dieser Wert bei 3,2 Gegentoren pro Partie.

Vier Gründe für eine erstaunliche Wende

Vorerst schienen sich ja die negativen Prognosen zu bestätigen. Die SCL Tigers, die zwar ihr Startspiel gegen die ZSC Lions überraschend gewinnen konnten, legten insgesamt einen miserablen Saisonstart hin. Doch offensichtlich verfolgte der neue Coach der Emmentaler einen Plan und behielt dabei die Nerven oder verlor zumindest nicht die Geduld. Denn plötzlich lief es besser. Auf die deutlichen Niederlagen folgten zuerst knappe, dann begann die Mannschaft zu gewinnen. Erstaunlich auch, dass es mittlerweile sogar gelingt, auch mal einer Favoritenrolle gerecht zu werden und trotzdem immer wieder positive Überrraschungen zu schaffen. Dafür gibt es vier Hauptgünde:

1.) Der Trainer

Coach Tierry Paterlini war zu Beginn der Saison ein unbeschriebenes Blatt. Er wirkte im Welschland hinten, bei La Chaux-de-Fonds, also schon fast in Frankreich mehrheitlich unbemerkt. Er leistete bereits dort ausgezeichnete Arbeit, flog aber weitgehend unter dem Radar. Die Swiss League interessiert nur am Rande und die welschen Teams darin eingentlich fast gar nicht. Reden wir von der Swiss League, meinen wir vorwiegend den EHC Olten, den SC Langenthal und den EHC Visp (wenn überhaupt). Aber dass da ein ehemaliger Nationalspieler, noch ein junger Trainer in Schodfo hinten gute Arbeit leistet, wen kümmerts. Also schienen Zweifel angebracht, als verkündet wurde, dass Paterlini in Langnau Trainer werde. Ein junger, unerfahrener Coach, der die verwahrloste Leistungskultur in Langnau wieder auf Vordermann bringen sollte, schien aussichtslos. Die Resultate der Testspiele und die ersten Meisterschaftspartien gaben den Zweiflern und Kritikern recht. Eine oder zwei Niederlagen mehr in Serie zu Beginn der Saison, und in Langnau hätte trotz tiefer Erwartungen der Baum gebrannt. Aber eben: Paterlini wusste, was er wollte, und er zog es durch. Er installierte in Langnau die zuvor zwei Jahre lang völlig vernachlässigte Leistungskultur, und er verlieh der Mannschaft ein System, Charakter und Selbstbewusstsein. Die Spieler danken es ihm mit leidenschaftlichen und disziplinierten Leistungen, die Freude bereiten.

Die Torhüter

Auch hier waren die Zweifel gross. Dass Luca Boltshauser ein guter Torhüter ist, wusste man zwar. Aber man traute ihm nicht zu, eine Saison lang die meisten Spiele auf gutem Niveau absolvieren zu können. Dies musste er aber in den Augen der Experten, denn diese schätzten seine Nummer 2, Stéphane Charlin, als eher untauglich ein. Nun haben wir aber gesehen, dass man Boltshauser durchaus mal eine Pause gönnen kann, denn Charlin ist da, wenn man ihn braucht. Die Tiger können auch mit ihm gewinnen, das ist eine wichtige Erkenntnis. Aber Luca Boltshauser ist überragend. Eigentlich ist er noch viel besser, als man allgemein schon vermutete. Dass die Emmentaler deutlich besser performen als vermutet, liegt sehr stark an den Torhütern.

Die Ausländer

Vom letztjährigen Ausländerquartett um Jesper Olofsson, Alexander Grenier, Harri Pesonen und Aleksi Saarela sind nur noch die beiden Finnen in Langnau. Hinzu gekommen sind dafür Vili Saarijärvi, Sami Lepistö (beide Verteidiger) sowie die beiden Stürmer Mark Michaelis und Cody Eakin. Während in der letzten Saison die guten Skorerwerte der Auslandfraktion nahezu wirkungslos verpuffte, ist dies in der aktuellen Spielzeit völlig anders. Als es dem Team zu Beginn der Saison noch nicht lief, waren auch die Leistungen der Imports noch nicht überragend. Aber seither rockt und rollt es in Langnau und manchmal auch in der Fremde. Kaum in einem anderen Team machen sich die beiden zusätzlichen Ausländer so stark bemerkbar wie gerade in Langnau. Waren in der letzten Saiso lediglich vier Import-Stürmer in der Mannschaft, kamen nun noch zwei ausländische Verteidiger hinzu. Und was für welche. Es sind zwei, die mit dem Puck etwas anzufangen können und auch wissen, wo das Tor steht. Und vor allem machen sie ihre Mitspieler stärker. Seit die Ausländer performen, performen auch die Schweizer. Subtrahiert man den miserablen Saisonstart vom Gesamtergebnis, stellen die Tiger ein Mittelfeldteam. Denn auch wenn nicht immer alle Ausländer in Form sind, so reissen immer wieder zwei oder drei das Spiel. Und es sind nicht immer die Gleichen.

Die Schweizer

Auch sie haben wir unterschätzt. Claudio Cadonau, Jan Neuenschwander und Marc Aeschlimann sind neu zum Team gestossen. "Mitläufer", wurde zuweilen geschnödet. Zudem war man mit dem ehemaligen Captain Pascal Berger nicht mehr zufrieden. "Der sitzt in Langnau nur noch seinen Vertrag aus", wurde gesagt. Doch eben: die Ausländer machen auch die Schweizer besser. Zudem entwickeln sich einige junge Spieler gut und werden stärker. Auch der ehemalige Captain kämpft sich langsam wieder zurück. Insgesamt auch hier eine erfreuliche Entwicklung, zumal die drei Neuen durchaus auch zusätzliche Qualität is Kader gebracht haben.

Die Aussicht

Heute Abend beginnt mit dem Spiel gegen den HC Fribourg-Gottéron die zweite Hälfte der Saison. Der 2:1 - Sieg nach Verlängerung vom 1. Oktober in Fribourg bedeutete die Wende für die Langnauer. Vor da weg war der Krisenmodus weg, oder wenigstens das, was die Beobachter als Krisenmodus wahrgenommen haben. Es ging aufwärts. Wichtig ist nun, nicht wie im Vorjahr den Fokus zu verlieren, sondern weiter konzetriert zu bleiben, sich zu entwickeln, und den Gegnern auch dann noch standzuhalten, wenn diese gegen Ende der Saison stärker werden. Bringen die Tiger die Leistung der letzten 18 Spiele über den Rest der Saison, werden Sie mit der Ausmarchung um einen eventuellen Abstieg nichts, - nicht das Geringste - zu tun haben.