Pascal Müller kommt:

Ein neuer Sportchef und eine neue Philosophie für Langnau

Für Langnaus Sportchef Marc Eichmann (41) gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: Die gute: Er darf seine Ferien auf unbestimmte Zeit verlängern. Die schlechte: Er ist gefeuert worden und wird durch Pascal Müller (43) ersetzt. In Langnaus Hockeygeschichte hat ein neues Kapitel begonnen.

News • • von Klaus Zaugg

Der dramatische Zerfall der Leistungskultur in den letzten zwei Jahren (102 Spiele, 82 Niederlagen) hat Konsequenzen: Sportchef Marc Eichmann muss gehen. Er ist am Dienstag noch ahnungslos aus den Ferien zurückgekehrt und heute im Büro in Langnau offiziell verabschiedet worden. Mit der unglücklichen Wahl des Ferientermins hat er seine Absetzung beschleunigt: Die SCL Tigers arbeiten an ihrem wichtigsten Personalentscheid: An der Anstellung des neuen Trainers. Und der Sportchef gönnt sich Ferien. Das ist im arbeitsamen Gotthelfland nicht eben gut angekommen.

Marc Eichmann ist im Frühjahr 2020 vom Torhütertrainer als Nachfolger von Marco Bayer zum Sportchef befördert worden. Die Zeiten waren schwierig, sparen war das Gebot der Stunde und so wurde die Stelle eines Sportchefs durch diese interne Beförderung besetzt.

Die Gesamtnote für Marc Eichmanns Tätigkeit ist keine ungenügende. Aber wir müssen uns mit der Zusammensetzung dieser Note befassen. Wie in der Schule setzt sie sich aus einzelnen Fächern zusammen. Für die Rekrutierung des ausländischen Personals der vergangenen Saison bekommt Marc Eichmann die Maximalnote 6. Aber in den übrigen Fächern schneidet er weniger gut ab. Eine knappe 4 gibt es für seine Schweizer Transfers und, das ist bei seiner Beurteilung am schwersten ins Gewicht gefallen, bloss eine 3 für die Trainerwahl (Jason O’Leary musste am 16. Januar gefeuert worden) und eine weitere 3 für die interne Kommunikation: Der ehemalige Kulttorhüter aus Langenthal hat es nicht verstanden, Brücken zwischen der Nachwuchsabteilung und der ersten Mannschaft zu bauen. Aus den Noten 6, 4, 3 und 3 gibt es die Gesamtnote 4,0. Genügend. Aber genügend reicht in Langnau in einer Zeit des Neuaufbaus und der Neuausrichtung nicht mehr.

Der eher introvertierte, freundliche Zürcher ist nicht primär fachlich, sondern kommunikativ gescheitert: Er hat viel zu wenig berücksichtigt, wie wichtig es ist, im Klub alle ins Boot zu holen und als Integrationsfigur die Sportabteilung zusammenzuhalten. Nachdem er sich bei seiner ersten Trainerwahl geirrt hatte (was passieren kann) hat er sich durch den unglücklichen Zeitpunkt seiner Ferien vollends ins Offside manövriert: Ein Sportchef, der ausgerechnet in der Zeit Ferien nimmt, in der ein neuer Trainer gesucht und angestellt werden sollte verliert in Langnau viel Rückhalt.

Die Geschichte wird jedoch seine Tätigkeit in Langnau besser, gnädiger beurteilen als es jetzt in den Erregungen des Augenblicks der Fall ist. Denn er musste die Sportabteilung in der schwierigsten Phase der Neuzeit ab 2020 führen: In einer Zeit, da wegen der Pandemie sparen oberstes Gebot war und er auf dem Markt einen denkbar schwierigen Stand hatte. Gerade deshalb ist ihm die fehlende Wirkung nach innen zum Verhängnis geworden. Er ist so gesehen auch das Opfer einer Situation, die er nur bedingt beeinflussen konnte.

Ein Neuanfang, eine Neuausrichtung braucht neue Männer. Nun kommt Pascal Müller als neuer Sportchef. Der ehemalige Verteidiger ist weitgereist (Zug, Davos, Ambri, ZSC, Kloten), wohnt im Kanton Zug und hat seine Langnauer Wurzeln immer gepflegt. Als Mitglied des legendären Aufstiegsteams von 1998 geniesst er im Dorf Kultstatus, hat über die Jahre beste Beziehungen in der Hockeywelt aufgebaut (er hat auch für die Schiedsrichterabteilung der Liga gearbeitet) und weiterhin beste Beziehungen im Dorf. Er kennt und schätzt die im Nachwuchs engagierten alten Grössen wie Samuel Balmer, Martin Gerber, Adrian Gerber oder Jörg Reber und bewährte sich zwei Jahre (2015 bis 2017) als Sportchef in Kloten. Dort hat er im Herbst 2017 die Kündigung eingereicht. Weil er mit Präsident Hansueli Lehmann, dem sportlichen Ruinierer der Klotener Hockeykultur das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne hatte.

Pascal Müllers Aufgabe wird nicht nur die von Marc Eichmann etwas saumselig vorangetriebene Anstellung des neuen Trainers sein. Auch eine Verbesserung des Scoutings und die Integration der Nachwuchsspieler (immerhin vier im U 18 WM-Team) gehören zu den zügig anzugehenden Baustellen. Das Ziel ist der Aufbau einer neuen Leistungskultur. Dabei wird Pascal Müller helfen, dass er als Ur-Langnauer die ganz besondere Mentalität im Dorf und im Klub kennt. Beides hat Marc Eichmann nie ganz richtig verstanden.

Die SCL Tigers sollen nach zwei miserablen Jahren wieder ein Team werden, das nach dem Vorbild von Ambri durch Leidenschaft und Kampfkraft Begeisterung weckt. Das realistische Ziel ist zwar bloss der vorzeitige Klassenerhalt durch den Gewinn der „Kellermeisterschaft“, die Kloten, Ajoie und eben Langnau nächste Saison um die Plätze 12, 13 und 14 austragen werden. Aber ein Besuch eines Spiels im Hockey-Tempel an der Ilfis soll für die Zuschauerinnen und Zuschauer wieder ein Erlebnis werden. Nach dem Motto „Mir gö nomau fürs Ammitau“ werden nicht jeden Abend Siege erwartet. Aber dass jeden Abend alles getan wird, um ein Spiel zu gewinnen.

Zur neuen Philosophie, zum bedingungslosen Bekenntnis für die SCL Tigers wird – wiederum nach dem Vorbild Ambris – das Engagement eines Schweizer Trainers angestrebt. Wie zwischen Paolo Duca und Luca Cereda soll auch in Langnau kein Löschblatt zwischen den Sportchef und den Trainer passen.

Wunschkandidat Thierry Paterlini kann dieser neue Trainer sein, der zudem als langjähriger U 18 Nationalcoach die nächste Spielergeneration kennt. Er kann für einen talentierten Spieler ein Grund sein, nach Langnau zu wechseln. Rund um den neuen Trainer wird der Aufbau eines starken Coaching-Teams angestrebt.

Thierry Paterlinis tüchtiger Agent Sven Helfenstein hätte durch kecke Gehaltsforderungen die Verhandlungen beinahe platzen lassen. Er verlangte bei seinem ersten Auftritt im Emmental sage und schreibe 400 000 Franken brutto und auf jeden Fall mehr als 300 000 Schtutz brutto Jahressalär. Für einen der besten Schweizer Trainer zwar. Aber eben auch einen Trainer, der noch nie etwas gewonnen und noch nie ein Team in der höchsten Liga geführt hat und dessen Profierfahrung sich auf zwei Jahre in La Chaux-de-Fonds beschränkt.

Inzwischen haben sich die Gemüter wieder beruhigt. Die Gehaltsforderungen sind um mehr als die Hälfte geschrumpft. Der Auftritt des umtriebigen Agenten, der zusammen mit Klotens Sportchef Patrik Bärtschi eine Firma gegründet hat, gilt nun als lebenswerte Karikatur eines schnodrigen Angebers aus dem Züribiet. Es werden im kleinen Kreis Vergleiche mit dem Garnhändler aus „Ueli der Pächter“ gezogen. Und sollte Thierry Paterlini das Angebot von Kloten annehmen (auch dort ist er Wunschkandidat) so wäre es sicherlich interessant zu wissen, welches Salär Patrik Bärtschi dem Klienten seines Geschäftsfreundes bewilligt (Prinzip „Söihäfeli-Söidecheli“?). Die Agentenprovision wird ja in der Regel nach der Höhe des Gehaltes berechnet.

So oder so: Der erste Schritt zur sportlichen Renaissance ist mit der Verpflichtung von Pascal Müller als Sportchef gelungen. In Langnau hat ein neues Kapitel begonnen. Gerade noch rechtzeitig: Im nächsten Frühjahr gibt es wieder den Auf- und Abstieg.