Der Tausch der Generäle:
Eine Geschichte über Stolz, Bauernschläue, Geld, Geist und Gotthelf
Langnau feuert Jason O’Leary und ab sofort kommandiert Yves Sarault als neuer Bandengeneral die Emmentaler. Die ganze Werbeaktion kostet etwas, bringt sportlich wenig und kann sich doch lohnen. Gut ist Jason O’Leary der billigste Trainer der Liga.
Warum muss Jason O’Leary gehen? Ganz einfach: Weil die SCL Tigers zu oft verloren haben. Mit den besten Ausländern der Klubgeschichte stehen die Langnauer immer noch dort, wo sie letzte Saison schon waren, als sie oft ohne Ausländer spielten: Chancenlos auf dem 12. Platz.
Kein Trainer übersteht in einem gut gemanagten Sportunternehmen so viel sportlichen Misserfolg.
Warum hat Jason O`Leary mit den Langauern so oft verloren? Weil er Gotthelf nicht gelesen hat. Obwohl er dazu im Sommer genügend Zeit gehabt hätte. Es gibt hervorragende englische Gotthelf-Übersetzungen.
Jaoson O’Leary ist bis zur Karikatur ein Produkt der nordamerikanischen „Sheriff-Kultur“. Will heissen: Ich bin der Boss, alle respektieren den Boss, es genügt, wenn ich in der Mannschaft zwei, drei Hilfssheriffs als „Prätorianer-Garde“ um mich habe und dann parieren alle.
Etwas einfach programmierte nordamerikanische Coaches ohne Bauernschläue setzen ganz auf die ausländischen Spieler und ein oder zwei einheimische Leitwölfe. Wenn die für den Trainer sind, folgt auch der Rest des Rudels. Weil in einer Mannschaft ja gut die Hälfte nur für sich schaut und weder für noch gegen den Trainer ist und einfach das über den Chef denkt und sagt und ausplaudert, was die Ausländer und die paar Leitwölfe knurren.
Da aber den Jungs auch mal „Shit“ gegeben werden und der Chef herausgekehrt werden muss, bekommen die Mitläufer und vor allem die jungen Spieler ständig den Zorn des Trainers zu spüren. Während seine „Prätorianer-Garde“ von allen Gewittern der Kritik verschont bleibt.
So hat Jason O`Leary (43) die SCL Tigers geführt und sich ins Abseits manövriert. Hätte er Gotthelf gelesen, hätte er gewusst, dass der erfolgreiche Bauer zu allen Dienstboten freundlich ist, den Meisterknecht eher noch strenger behandelt als die Stubenmagd und so erreicht, dass alle nach bestem Wissen und Gewissen zum Gedeihen des Hofes beitragen und einander helfen. Dann schliesst auch mal der Meisterknecht den Schieber zum Hühnerstall, den die Stubenmagd versehentlich offengelassen hat. Und der Fuchs holt die Hühner nicht. Und die Stubenmagd verzichtet dann auch mal auf den Märit-Tanz. Damit die Küchenmagd mit dem Meisterknecht zTanz gehen kann. Teambildung eben.
Jason O`Learys Führungsstil hat zu einer Aufsplitterung der Mannschaft in drei Gruppen geführt: Die Ausländer und der helvetische Leitwolf Yannick Blaser, die immer mehr frustrierten Jungen und die Gruppe der Unentschlossenen mit dem opportunistischen Captain Pascal Berger, der nun sofort abgesetzt gehört.
Solange die Ausländer die Liga gerockt haben, musste der Trainer nicht um seinen Job bangen. Aber inzwischen hat Liga-Topskorer Jesper Olofssson schon seit 6 Partien nicht mehr getroffen. Und so wie einst im alten Rom die „Prätorianer-Garde“ oft den Kaiser gemeuchelt hat, den sie eigentlich hätten schützen sollen, so ist nun auch Jason O’Leary durch seine „Prätorianer-Garde“ um den Job gebracht worden. Die Leitwölfe sind zum Schluss gekommen, dass es mit dem Chef nicht mehr geht. Einer dieser Leitwölfe ist von einem der Entscheidungsträger gefragt worden, was in der Trainerfrage zu tun sei. Er antwortete in englischer Sprache: „Willst Du eine politisch korrekte oder eine ehrliche Antwort.“ – „Eine ehrliche Antwort.“ – „Es geht mit diesem Trainer nicht mehr.“
Und wie geht es mit dem neuen Chef? Es wird rocken. Yves Sarault (49), der legendäre Rumpel-Leitwolf des SCB-Meisterteams von 2004 ist rhetorisch weniger elegant als sein Vorgänger. Aber eine ehrliche Haut. Engagiert, fadengerade direkt – und, anders als Jason O`Leary nicht darauf angewiesen, beliebt und von den Leitwölfen geschützt zu werden. Er weiss ja bereits, dass er nur bis Ende Saison bleiben wird. Und so hat er heute die Mannschaft mit folgenden Worten in englischer Sprache begrüsst:
„Ich weiss, dass ich nur drei Monate bleibe. Ich muss hier nicht geliebt werden. Ich will nur eines: Die restlichen Spiele gewinnen.“
Und die Verwaltungsräte, die herbeigeilt waren, um dem ersten Training unter neuer Leitung beizuwohnen (Start 10.00 Uhr), den Papierkram des Trainerwechsels zu visionieren und zu unterschreiben und deswegen die Predigt verpassten, zeigten sich beeindruckt: Es sei mehr „gsecklet“ worden und es sei intensiver gewesen. Yves Sarault rockt.
Und wie ist es nun mit der Vernunft? Das alles kostet ja. Und gilt nicht Präsident Peter Jakob als Lichtgestalt der Vernünftigen? So ist es. Und am Ende des Tages ist der Trainerwechsel ein Akt der Vernunft.
Ein Zufall hat das Ende der Amtszeit von Jason O’Leary beschleunigt: Peter Jakob ist nach dem Spiel in Genf (klägliche 1:5-Niederlage) mit dem Fancar nach Hause gefahren. Das war schon lange so geplant. Der Präsident macht das ab und an. Weil er den Puls an der Basis fühlt.
Er sagt: „Die vorgebrachte Kritik war sehr anständig. Ich habe dabei die tiefe Enttäuschung an unserer Fanbasis gespürt. Wenn ich in unserer Firma Rückmeldungen von enttäuschten Kunden bekommen, nehmen wir das sehr ernst und gehen der Ursache nach.“ In diesem Fall war die Ursachenforschung nicht sehr schwierig.
Aber es kostet. Langnaus Glück: Jason O`Leary ist der billigste Coach der Liga. Er verdient netto ziemlich exakt nur 120 000 Franken netto. Weil er bereit war, für das Gehalt eines Coaches aus der Swiss League zu arbeiten, hat er im Gegenzug einen Zweijahresvertrag bekommen, aus dem die Langnauer nicht aussteigen können. Die Strategie nun: Das Gehalt wird dem gefeuerten Trainer pünktlich weiterbezahlt, er wird über alle Massen gerühmt. In der Hoffnung, dass er so schnell wie möglich wieder einen Job findet. Denn dann entfällt die Lohnzahlungspflicht. Warum nicht zum EHC Visp? Immerhin hat der Kanadier mit dem SC Langenthal die Swiss League schon einmal gewonnen.
Peter Jakob sagt, es sei um eine Güterabwägung gegangen: „Wie gross ist der Schaden, wenn wir nicht reagieren? Wenn unsere Sponsoren, unsere Fans Spiel für Spiel enttäuscht werden?“ Es gehe ja auch darum, dass im nächsten Sommer wieder Saisonkarten verkauft, dass neue Sponsoren gewonnen werden können. Die Güterabwägung hat also ergeben: Der Schaden ist grösser, wenn wir nicht reagieren.
Nun gäbe es eine Möglichkeit, das Geld, das für den Trainerwechsel ausgegeben werden muss, durch ein sportliches Handelsgeschäft wieder hereinzuholen: Biel ist interessiert, bereits jetzt Topskorer Jesper Olofsson zu übernehmen (er wechselt auf nächste Saison sowieso zu Biel). Diese Variante ist intern besprochen worden. Der für den Sport zuständige Verwaltungsrat Karl Brügger hat dazu eine klare Meinung: „Das kommt auf gar keinen Fall in Frage. Erstens dürfen wir uns das unseren Fans und Sponsoren gegenüber nicht leisten und zweitens sind wir finanziell nicht so schwach, dass wir zu einem solchen Schritt gezwungen sind. Wir wären höchstens bereit, Jesper Olofsson bis Ende Saison an Davos auszuleihen. Weil uns die Davoser bei der Lösung unseres Torhüterproblems mit Robert Mayer in grosszügiger Weise entgegengekommen sind. Wir haben auch unseren Stolz. Wir sind nicht einfach die Bettler der Liga, die sich selber schwächen, um Biel noch besser zu machen.“ Es ist beruhigend zu hören, dass die Emmentaler im Stolz verletzt sind. Das bedeutet, dass sie ihren Stolz noch nicht verloren haben.
Und wer wird nun nächste Saison Trainer der SCL Tigers? Ein Herzenswunsch von Peter Jakob ist die Verpflichtung eines Schweizer Trainers. Wäre es denn nicht eine schöne Geschichte, wenn Michael Liniger (42) heimkehren würde? Seit mehreren Jahren ist der ehemalige Leitwolf der Kloten Flyers in Langnau ein Thema. Er trainiert zur Zeit die GCK Lions in der Swiss League.
Die Geschichte ist ja fast zu schön, um wahr zu sein: „Michu“ der Bub des hoch angesehenen Langnauer Alt-Sekundarlehrers Max Liniger (einst TK-Chef und Sommertrainer des meisterlichen SC Langnau), in der Fremde zu Ruhm, Ansehen und Geld gekommen, kehrt nun heim und wird Trainer der SCL Tigers. So wäre es, wenn der legendäre Franz Schnyder aus Burgdorf, der beste Regisseur der helvetischen Filmgeschichte, einen Hockey-Film hätte drehen dürfen.
Vielleicht ist es fast zu schön, um wahr zu sein.
P.S. Die grosse Frage im Bernbiet ist nun: Wann reagiert auch der SC Bern in der Trainerfrage?