Tigers-Präsident Peter Jakob:

«Geld ist ein wichtiges Element, aber keine Garantie für den Erfolg»

Er führt ein weltweit tätiges Unternehmen mit über 50 Millionen Umsatz und zudem die SCL Tigers in Langnau. Peter Jakob spricht über seine Motivation, darüber, was er in Langnau im Sinn hat und weshalb im Oberaargau nicht möglich ist, was im Emmental geht.

Blog • • von Klaus Zaugg & Bruno Wüthrich (aus dem oberraargauer Monatsmagazin WURZEL)

Was in Langnau in den letzten 15 Jahren in Sachen Eishockey und Sport-Infrastruktur geleistet worden ist, ist keine Selbstverständlichkeit. Keine 40 Kilometer weiter nördlich zeigt sich, wie beschämend das Scheitern des Hockeys in Langenthal und das Versagen der Politik im Oberaargau sind. Der Unternehmer Peter Jakob hat als Präsident die SCL Tigers vor dem Konkurs bewahrt, das Stadion rundum erneuert, und nun treibt er den Bau eines zweiten Eisfeldes und eines Sport- und Tagungszentrums voran. Er spricht über seine Motivation, sich im Sport zu engagieren und über die Herausforderung, in einer der strukturschwächsten Regionen der Schweiz ein Hockeyteam der höchsten Liga zu finanzieren.

FANTIGER: Die Verpflichtung von Joshua Fahrni muss Sie ganz besonders freuen. Dass ein junger Spieler von Bern nach Langnau kommt,  um besser zu werden hat sehr viel der der modernen Infrastruktur zu tun, deren Bau Ihnen so am Herzen liegt.

Peter Jakob: Ich war bei den Verhandlungen nicht dabei. Aber was wir hier machen, spricht sich herum. Unsere neue Athletikhalle gehört zum Besten, was es in diesem Bereich gibt. Wir bauen kein zweites OYM (das OYM ist das Sportleistungszentrum des EV Zug – die Red.). Aber es ist eine gute Sache.

In Langnau wird neben dem neu renovierten Stadion ein zweites Eisfeld und eine der modernsten Sportanlagen Europas gebaut. Im viel reicheren Oberaargau ist es nicht einmal mehr möglich, eine Mannschaft in der zweithöchsten Liga zu finanzieren und in Huttwil muss der Gemeinderat mit einer Unterschriftensammlung dazu gezwungen werden, damit überhaupt über den Beitrag für die Eisaufbereitung abgestimmt wird. Was ist in Langnau anders?

Ich habe gute Freunde in Langenthal, die begeisterte Hockeyfans sind. Aber im Oberaargau gibt es nicht nur Eishockey. Das ist zwar auch bei uns so. Aber Eishockey ist ungleich wichtiger: Ein gut besuchtes Heimspiel mobilisiert in Langnau mehr Leute, als alle anderen Veranstaltungen zusammen in einem Jahr, wenn wir keine Grossanlässe wie ein Kantonales Jodlerfest haben. Einmal hat mich ein Langenthaler gefragt, wie wir das hier machen. Er habe eine Gruppe Leute, die alle etwas beisteuern würden. Ich habe ihm gesagt, dass der Ansatz ein anderer sein müsste: Jemand muss die Verantwortung übernehmen, jemand muss hinstehen und es machen. Es funktioniert nicht, wenn ein paar Leute Geld geben.

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Die Erweiterung der Infrastruktur in Langnau ist bereits weit fortgeschritten.

 

Geld reicht also nicht. Es braucht Visionen.

Sie sagen es.

Wir haben im Oberaargau keinen Peter Jakob.

Das sagen wiederum Sie. Es gibt auf dem Platz Langenthal einige Unternehmer, die es hätten machen können.

Im Oberaargau, vor allem in Langenthal und Huttwil, ist immer wieder ein Thema, ob und wie viel die öffentliche Hand in die Infrastruktur und ins Hockey investieren soll. Wie viel kosten die SCL Tigers und die Infrastruktur die Gemeinde Langnau?

Die Gemeinde Langnau zahlt pro Jahr 430'000 Franken für die Kunsteisbahn. In der Summe erbringen die SCL Tigers als achtgrösster Arbeitgeber für die Gemeinde einen positiven Geldzufluss, unter anderem durch die Quellensteuereinnahmen aus den Salären unserer Ausländer. Die SCL Tigers sind ein KMU mit 60 Vollzeitstellen geworden und über 250 Teilzeitangestellte helfen uns bei jedem Spiel.

Nicht mehr als 430 000 Franken?

Nein, nicht mehr.

In dieser Summe sind die Kosten für die Infrastruktur enthalten?

Ja, die ISAG, die der Gemeinde gehört (die AG, die das Stadion besitzt - die Red.) kann dank der SCL Tigers eine schwarze Null schreiben. Ohne die SCL Tigers als Mieter würde die Eisaufbereitung im Jahr die Gemeinde 700 bis 800 000 Franken kosten.

Langnau ist vor neun Jahren abgestiegen. In Rapperswil-Jona oder Kloten haben die Verantwortlichen nach dem Abstieg das Weite gesucht. Sie und der ganze Verwaltungsrat sind geblieben. Das ist aussergewöhnlich.

Wir haben nach dem Abstieg nicht einmal daran gedacht, aufzugeben. Das war gar nie ein Thema. In einer schwierigen Situation einfach davonlaufen geht nicht.

Heute sind die SCL Tigers schuldenfrei. Wie ist das gelungen?

Unmittelbar nach dem Abstieg nach dem verlorenen letzten Spiel in Lausanne ist ein Fan zu mir gekommen und hat gesagt: Ihr habt das absichtlich gemacht. Das hat mich sehr verletzt…

Wie konnte es zu dieser Aussage kommen?

Wahrscheinlich, weil ich immer und immer wieder vom Sparen gesprochen haben. Es heisst immer wieder, wir sollten in die erste Mannschaft investieren. Aber wenn wir langfristig bestehen wollen, dann müssen wir die Kosten für den Sport im Griff haben und in die Infrastruktur investieren. Wir budgetieren immer eine schwarze Null, je nach Saison kann die Abweichung 200 bis 300'000 Franken betragen. Wären wir besser, wenn uns jemand drei Millionen für Transfers zur Verfügung stellt?  Ich bin nicht sicher, ob wir dann besser wären, bloss wäre für den Sportchef vieles viel einfacher. Es geht nicht allein um Geld. Im Mannschaftsport müssen hundert kleine Dinge zusammenpassen. Geld ist zwar ein wichtiges Element, aber keine Garantie für den Erfolg.

Wie haben Sie die Kosten in Griff bekommen?

Es braucht eine unglaubliche Disziplin und eine harte Hand. Um durch die Pandemie zu kommen, haben wir extrem gespart. Wir haben beispielsweise unseren Goalietrainer Marc Eichmann einfach zum Sportchef gemacht, um Kosten zu sparen. Das war möglicherweise nicht so geschickt, aber einfach aus Kostengründen notwendig und heute sind wir schuldenfrei. Wir schreiben eine schwarze Null. Das heisst in diesem Geschäft, dass wir allerhöchstens mit vielleicht 200 000 bis 300 000 Franken Minus abschliessen. Aber nicht mit einem Minus von einer Million und mehr.

Sonst müssen Sie einen Mäzen haben, der Jahr für Jahr eine Million oder mehr einschiesst.

Ja, und den haben wir nicht.

Investieren Sie deshalb in die Infrastruktur?

Für mich ist eine gute Infrastruktur und eine professionelle Führung der Nachwuchsabteilung der Schlüssel zum späteren, zum nachhaltigen Erfolg. Das ist nicht nur im Sport so. Für die SCL Tigers ist das Projekt der zweiten Eisbahn und der Athletikhalle alternativlos. Nur so können die SCL Tigers unabhängig von einzelnen Personen werden.

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Innenansicht des Neubaus an der Ilfis in Langnau

 

Damit es einmal auch ohne Peter Jakob geht?

Es geht nicht um Personen, es geht um die Sache. Wir werden am 7. September des nächsten Jahres das zweite Eisfeld und die Athletikhalle eröffnen…

…das bedeutet, dass Langnau den Spielern Rahmenbedingungen bieten kann, die zum Besten gehören, was es in der Schweiz überhaupt gibt.

Ja, seit gut neun Jahren arbeiten wir an diesem Projekt und lange sind wir belächelt worden. Die Gemeinde stellt uns das Grundstück zwar im Baurecht zur Verfügung, hat aber entschieden, sich an den Investitionen und den zusätzlichen Betriebskosten nicht zu beteiligen. Den Banken war das Risiko zu gross: Fünf Banken wollten ein Konsortium bilden und jede 300 000 Franken Kredit zu hohen Zinsen geben. Aber darüber hinaus ist noch eine persönliche Bürgschaft von mir verlangt worden. Also haben wir uns entschieden, die Finanzierung auf privater Basis zu machen. Wenigstens bekommen wir an die Gesamtkosten von 21 Millionen Beiträge vom Kanton und vom Bund in der Höhe von knapp 3 Millionen und ein zinsfreies Darlehen in der Höhe von 4 Millionen, das wir in 20 Jahren amortisieren müssen. Der grösste Teil der Finanzierung ist also privat.

Wie hoch sind die privaten Investitionen?

Rund 17 Millionen.

Sie investieren das Geld?

Ja, allerdings bin ich nicht allein, die Hauptlast liegt bei meiner Familie. Ich bin daran, mich aus unserer Firma zurückzuziehen…

…und statt das Geld, über das Sie durch die Übergabe Ihres Unternehmens an Ihre Nachfolger verfügen können, an der Börse anzulegen, investieren Sie es in die Infrastruktur der SCL Tigers?

Es ist mehr als eine Sportinfrastruktur. Wir öffnen den Fächer und bauen ein Zentrum, das weit über den Sport hinaus genutzt werden kann. Wenn einmal alles fertiggestellt wird, haben wir ein Hotel mit 60 bis 80 Zimmern, Tagungsräumen, Restaurants, ein Athletikzentrum und zwei Eisbahnen. Die aktive und passive Freizeitgestaltung wird ein immer wichtigerer Wirtschaftsfaktor.

Sozusagen ein Sportpark und Tagungszentrum im oberen Emmental. In einer der strukturschwächsten Regionen des Landes. Kann das funktionieren?

Als wir im Rahmen der Stadionsanierung den Tigersaal planten, sagte man uns: Seid ihr verrückt? Was wollt ihr mit einem so grossen Saal und der ganzen Gastronomie? Ihr spielt ja im Sommer nicht. Wir haben es trotzdem gewagt und den Umsatz mit der Gastronomie auf rund 4,5 Millionen gesteigert. Weil der Gastrobereich uns gehört, müssen die SCL Tigers keine Miete bezahlen und erwirtschaften so rund 700 000 Franken, die wir in den Sport investieren können.

Nun erhoffen Sie eine ähnliche Entwicklung mit der neuen Infrastruktur?

Ja. Ich gebe ihnen ein Beispiel: Es ist heute sehr schwierig geworden, einen Ort zu finden, wo sie Tagungsräume, Unterkunft und Verpflegung für 60 und mehr Personen bekommen. Wenn wir bei unserer Firma in Trubschachen einen solchen Anlass haben, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Bus zu mieten und die Leute in der Stadt Bern unterzubringen. Wir werden in unserem neuen Zentrum alles unter einem Dach aus einer Hand anbieten können. Nur fünf Minuten zu Fuss zum Bahnhof mit einer 30minütigen Schnellzugsverbindung in die Stadt Bern.

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Peter Jakob im Gespräch mit Bruno Wüthrich (r) und Klaus Zaugg (l)

 

Der sportliche Teil mit der Athletikhalle und dem zweiten Eisfeld wird im nächsten September eröffnet. Wann rechnen Sie mit der Inbetriebnahme der gesamten Anlage?

Wenn alles klappt bis in etwa in fünf Jahren. Wir sind auf einem guten Weg, auch weil keine politischen Entscheidungen mehr erforderlich sind. Es braucht keine Änderung des Zonenplanes.

Welchen Einfluss hat diese neue Infrastruktur auf die sportliche Konkurrenzfähigkeit der SCL Tigers?

Die Investitionen fliessen einerseits in die Gastronomie und die Hotelanlage und andererseits in die sportliche Infrastruktur mit der zweiten Eishalle und dem Athletikzentrum. Die nichtsportliche Seite ist in einem nicht gewinnorientierten Unternehmen zusammengefasst und die Finanzierung ist so ausgestaltet, dass die SCL Tigers die Anlage mit einem gut zu verkraftenden Aufwand nützen können und die Amortisation gesichert ist. Selbst wenn die SCL Tigers eines Tages Konkurs gehen sollten, ist die gesamte Infrastruktur davon nicht betroffen. Wenn die Infrastruktur steht und das Unternehmen gut geführt wird, dann spielt es auch keine Rolle mehr, wenn der Präsident wechselt.

Dann geht es auch ohne Peter Jakob.

Sie sagen es.

Die Infrastruktur kann zwar theoretisch auch ohne die SCL Tigers existieren. Aber die SCL Tigers dürften trotzdem eine zentrale Rolle spielen?

Ja, die SCL Tigers sind der Treiber des ganzen Unternehmens. Sie tragen unseren Namen ins Land hinaus und sie werden auch die Geschäfte führen. Aber wie ich schon sagte: Die Infrastruktur besteht unabhängig von den SCL Tigers.

Das heisst, dass Sie das Unternehmen SCL Tigers diversifizieren. Die Geschäftsbasis ist nicht mehr nur Eishockey, sondern auch die Gastronomie und die gesamte Sportinfrastruktur?

Das ist das Ziel. Das hilft uns auch, eine grosse Dummheit der Liga zu korrigieren.

Welche Dummheit meinen Sie?

Ausgerechnet in einer Zeit der grössten Krise – während der Pandemie – ist eine Reform beschlossen worden. Es ist unglaublich: in einer Zeit, in der niemand wusste, wie es weitergehen wird, ist die Erhöhung von vier aus sechs Ausländer beschlossen worden.

Aber Langnau hat auch zugestimmt.

Das war mein Fehler. Man hat mir gesagt, dass die Sache längst entschieden sei und wir da gar nichts machen können. Da haben wir in Gottes Namen halt zugestimmt. Ich hätte da härter bleiben sollen.

Aber verhindern hätten Sie es nicht können?

Nein, wahrscheinlich nicht.

Bereits ein durchschnittlicher Ausländer kostet den Klub sicherlich gut 500 000 Franken. Die Erhöhung von vier aus sechs Ausländer verursacht also für jeden Klub Zusatzkosten von rund einer Million.

Das ist richtig und damit sind wir beim Thema. Wenn wir ein optimales Umfeld haben und künftig die halbe Million, die ein Ausländer kostet, in unsere Nachwuchsabteilung investieren, in noch mehr erstklassige Ausbildner für unsere Spieler, dann erreichen wir doch mittelfristig eine höhere Qualität unserer eigenen Spieler und können uns die Kosten für mindestens einen Ausländer sparen.

Sie möchten mit fünf statt sechs Ausländer spielen.

Ja, schon jetzt, und wenn wir das gut erklären, würde es das Publikum akzeptieren. Aber damit komme ich intern einfach nicht durch. Alle laufen intern gegen diese Idee sturm. Es heisst, das gehe einfach nicht, die Sponsoren wollen das nicht, die Fans wären auch nicht einverstanden, wir würden dann weniger Saisonabis verkaufen, wir wären weniger konkurrenzfähig und am Schluss werde alles gar noch im Abstieg enden. Gegen diese Argumente komme ich nicht an. Ich bin froh, dass sich Käru (Verwaltungsrat und Tigers-Hauptaktionär Karl Brügger – die Red.) um den Sport kümmert. So ergänzen wir uns gut. Ich pflege zu ihm zu sagen: Ich sorge für die Festhütte und du dafür, dass die Musik spielt. Aber in dieser Sache und bei der Notwendigkeit der Investitionen in den Nachwuchs bin ich hartnäckig und werde immer und immer wieder damit kommen. Da werde ich nicht altersmilde.

Sie kamen 2008 um bei der Rettung der SCL Tigers zu helfen und schlossen damals die Übernahme des Präsidiums kategorisch aus. Nun sind Sie seit 15 Jahren doch Präsident. Was ist da eigentlich passiert?

Unsere Familie verfolgte schon immer mit Interesse das Hockeygeschehen in Langnau. Ein Fan war ich aber nie und ich wusste auch nicht, welche Bedeutung die SCL Tigers tatsächlich haben, und was eine Fangemeinschaft bedeutet. Ich war bald einmal fasziniert von dieser Kultur, diesem gemeinsamen Erleben, dem Leiden, den Zittern, der Freude. Ich war Unternehmer und 40 Jahre lang gab es für mich die Familie, die Arbeit, ein wenig Sport und schöne Reisen mit der Familie. Das Engagement bei den SCL Tigers hat für meine Frau und mich eine neue Welt geöffnet und viele schöne Erlebnisse beschert, und wir haben sehr viele tolle Leute kennen gelernt.

Der Unternehmer ist also ein Fan geworden.

Ja, das können wir sagen.¨

Und umgekehrt hat dieser Fan im Laufe der Jahre dafür gesorgt, dass aus den SCL Tigers ein Unternehmen geworden ist?

Wenn Sie es so sagen, ja. Ich habe versucht, meinen Teil dazu beizutragen.

Wird es einmal möglich sein, in Langnau ein Meisterteam zu finanzieren?

Das wird sehr, sehr schwierig. Ein Sponsor hat einmal unsere sportlichen Möglichkeiten auf den Punkt gebracht: Im Durchschnitt etwa alle drei Jahre die Playoffs erreichen. Ich denke, das ist realistisch und auch notwendig. Es genügt nicht, nur jedes Jahr gegen den Abstieg zu kämpfen.

Was hat eigentlich Ihr Engagement für die SCL Tigers über all die Jahre für Ihre Firma gebracht?

Nicht Geld, aber viel Respekt und Anerkennung und wir werden nicht mehr mit dem Jakob-Markt in Zollbrück verwechselt.