Des Tigers mentale Stärke:

Können die Langnauer sogar den Halbfinal erreichen?

Gleich zwei Mal konnten die SCL Tigers auf einen bitteren Rückschlag in dieser Viertelfinal-Serie positiv reagieren. Liegt in diesen Playoffs sogar der Halbfinal oder noch mehr drin?

Blog • • von Bruno Wüthrich

Der Puck liegt im Tor des LHC. Abgezogen hat der Finne Vili Saarijärvi (nicht auf dem Bild). Es ist das 1:0 der SCL Tigers in diesem intensiven weiten Spiel gegen die favorisierten Waadtländer. Bild: Susanne Bärtschi.

 

Klar ist, auch ein Underdog tritt an und spielt, um zu gewinnen. Sei es in einem Spiel, in einer Serie oder in einer Meisterschaft. Etwas anderes zu sagen oder zu schreiben wäre völlig realitätsfremd. Eben so realitätsfremd wäre es im Fall der SCL Tigers, im Vorfeld einer Meisterschaft zu behaupten, sie würden diese gewinnen. Die bisherigen Erfahrungen und das spielerische Potenzial sprechen eine andere Sprache. Deshalb gibt die Unternehmung im Vorfeld, wenn überhaupt, eine Zielsetzung bekannt, welche sie auch erreichen kann. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Sportler auf dem Eis mehr wollen, sollte sich die Gelegenheit dazu ergeben. Deshalb gibt für die Tiger in dieser Play Off-Viertelfinal-Serie nur eine Zielsetzung: nämlich diese zu gewinnen! Drei Mal darf geraten werden, welche Zielsetzung in einem allfälligen Halbfinal gelten würde. Und so weiter.

Der Faktor Torhüter

War es am vergangenen Samstag nun der Abend von Luca Boltshauser, oder war es eben nicht „sein“ Abend? Zwei haltbare Gegentreffer, zuerst zum 2:2- und dann zum 3:3-Ausgleich, lediglich 11 Sekunden vor Ablauf der Partie. Normalerweise würde man sagen: es war nicht sein Abend. Aber diesmal müssen wir zumindest relativieren, wenn nicht sogar etwas anderes behaupten. Denn 1.) hat Boltshauser mit seinem starken Spiel in der übrigen Spielzeit trotzdem grossen Anteil am Erfolg seiner Mannschaft. Zudem war er mit 93,63% abgewehrter Schüsse klar der stärkere Hüter als sein Gegenüber Kévin Pasche (88,57%). Und eben: Boltshausers Team hat den Sieg trotzdem festgehalten. Wen interessiert hinterher die Zusatzschleife, welche ausserdem beide Teams zu absolvieren hatten?

Dass die Tiger diesen Sieg trotzdem nach hause gebracht haben, hat viel mit Luca Boltshauser zu tun. Denn1.) hielt er mit seiner starken Leistung lange Zeit die Null und 2.) spielte nach seinen beiden Eiern in der Verlängerung, als wäre nichts geschehen. Will heissen: er spielte wiederum stark auf und gab seiner Mannschaft damit die Möglicheit, diese Partie zu gewinnen. Das ist mentale Stärke. In dieser Saison schien es zeitweise, als hätte Boltshauser diese Stärke etwas verloren, als er sichtlich Mühe hatte, zu akzeptieren, dass Stéphane Charlin an ihm vorbeizog und er als anfängliche Nr. 1 zur Nr. 2 degradiert wurde. Nun aber bewies Langnaus ehemalige und zukünftige Nr. 1, dass er mental dieser Aufgabe gewachsen ist. Jedem Torhüter „passieren“ mal faule Eier. Er darf deswegen nicht mental auseinanderfallen, sondern sollte noch stärker weiterspielen. Damit seine Mannschaft trotzdem gewinnen kann. Genau das hat Luca Boltshauser am Samstag getan. Die ersten beiden Spiele dieser Serie haben gezeigt, dass unter dem Strich die Emmentaler auf der Torhüterposition auch ohne Charlin mindestens gleich gut besetzt sind, wie die Lausanner.

Wie sieht es bei der Mannschaft aus?

Es macht wenig Sinn, auf die individuellen Stärken einzelner Spieler dieser beiden Mannschaften eingehen zu wollen. Die jeweiligen Ränge in der Qualifikation sprechen eine klare Sprache und auch die Direktbegegnungen gingen allesamt zugunsten des Favoriten aus.

Das Team von Headcoach Thierry Paterlini hat sich im Schlussdrittel der ersten Partie in Lausanne vom vergangenen Donnerstag gleich selbst gezeigt, dass wenn sie mutig auftritt, etwas drin liegen könnte. Leider hat man zuvor zwei Drittel lang versucht, mit mauern zum Erfolg zu kommen und sich dabei trotzdem einen Zweitore-Rückstand eingefangen. Die intensiven Bemühungen um den Ausgleich haben die Mannschaft defensiv etwas anfällig werde lassen, was den Waadtländern schliesslich trotzdem den Sieg einbrachte.

In der Partie vom Samstag agierten die Tiger von Beginn weg selbstbewusst, leidenschaftlich, bissig und vor allem diszipliniert. Es war ein ganz anderes Langnau als noch zwei Tage zuvor in Lausanne. Der Sieg war entsprechend verdient und eine logische Folge. Dass er sogar trotz der beiden Eier zustande gekommen ist, spricht eine klare Sprache. Die Langnauer sind auf Augenhöhe mit Lausanne.

Was ist möglich für die SCL Tigers?

«Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche.» Dieser Satz stammt vom Ordensbruder und katholischen Heiligen Franz von Assisi (1181/82-1226) und könnte exakt auf die SCL Tigers zutreffen. Denn sie arbeiten unter Thierry Paterlini nach genau diesem Prinzip: Sie taten erst das Notwendige, indem sie ihre Defensive stabilisierten. Wer erfolgreich sein will, braucht eine stabile Defenive. Ohne geht es nicht, wie sich die Tiger in der Saison 2007/08 gleich selbst bewiesen. Niemand hat in dieser Saison so viele Tore erzielt wie die Langnauer. Es rockte und rollte im Emmental und auch auswärts. Aber leider noch etwas mehr im eigenen Tor als im Gehäuse des Gegners. Will heissen: die Tiger wiesen trotz der am meisten erzielten Tore ein negatives Torverhältnis aus (175:195), belegten damit lediglich Rang 10 und verpassten die Play Offs. Die stabile Defensive ist es auch, welche die Emmentaler erfolgreich durch das Play In und zum Ausgleich in der Play Off-Serie gegen Lausanne gebracht hat. Womit wir beim Möglichen wären. Trotz der vier Niederlagen in der Qualifikation, eine davon in der Verlängerung und eine erst im Penaltyschiessen, war klar, dass Einzelsiege gegen diesen Gegner möglich sind. Einen hat man jetzt geschafft. Nun haben die Langnauer vorerst drei Möglichkeiten, einen zweiten Sieg zu schaffen. Gelingt dies, wird auch das Unmögliche möglich.

Haushoher Favorit ist nachwievor der HC Lausanne. Niemand verübelt es den Langnauern, sollten sie gegen den Qualifikationssieger die Viertelfinal-Serie nicht erfolgreich überstehen. Aber chancenlos ist das Team von Thierry Paterlini nicht. Und ganz ehrlich: ein ganz klein wenig enttäuscht wäre ich schon, wenn ich die SCL Tigers in diesem Frühjahr nicht erstmals im Halbfinal sehen könnte.

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