Dorfklubs im Aufwind

Langnau und Ambri im Playoff mit Aussenseiter-Chancen

Der Treffer anderthalb Minuten vor Schluss verändert alles. Statt gegen Biel muss Langnau nun gegen Lausanne ran. Und Ambri trifft statt auf Lausanne nun auf Biel. Das hat Folgen. Eine Analyse.

Blog • • von Bruno Wüthrich

Bild: ZVG

 

Das Zittern der ZSC Lions um die Playoff-Qualifikation und ihr letztendliches Scheitern beherrschte in den letzten Tagen die Berichterstattung über das Eishockey in den nationalen Medien. Umso mehr, weil bei den Zürchern während der Saison der als "Trainer-Rockstar" gefeierte und als Übertrainer verehrte Arno Del Curto das Zepter an der Bande übernommen hatte. Das lieferte den Gesprächstoff. Das füllte die Inhalte der Mediengefässe. Zumal alle wichtigen nationalen Medien heute in Zürich beheimatet sind, und es kaum einen Eishockey-Journalisten gibt, der nicht zu den Arno-Verehrern gezählt werden muss, kann oder darf.

Darob ging fast ein Bisschen unter, dass es mit dem HC Ambri-Piotta und den SCL Tigers zwei Dorfklubs in die Playoffs geschafft haben. Diese beiden "Kleinen" der nationalen Eishockey-Szene haben zusammen mit dem HC Genf-Servette, dem in dieser Saison ebenfalls nicht viel zugetraut wurde, dafür gesorgt, dass mit den ZSC Lions ein ganz Grosser in die Niederungen der völlig bedeutungslosen Platzierungsrunde versenkt wurde. Nicht zu vergessen, dass mit dem HC Fribourg-Gottéron ein zweiter Klub unter dem Strich gelandet ist, den man nach seinen Transfers (u.a. Torhüter Reto Berra) viel weiter vorne in der Tabelle erwartet hätte. Die Qualifikationen von Ambri und Langnau beweisen, wie nahe beieinander die Leistungspotentiale der einzelenen Klubs heute tatsächlich sind. Sie beweisen auch, was mit taktischer Disziplin und Leidenschaft alles möglich ist. Und sie beweisen, was ein guter Trainer ausmachen kann. Wir können nur vermuten, was ein Trainer wie Heinz Ehlers zu vollbringen im Stande wäre, wenn er einmal ein paar Saisons unter ähnlichen Bedingungen arbeiten könnte, wie dies Arno Del Curto in Davos durfte.

Qualifikation ist Qualifikation. Playoffs kennen andere Gesetze. Wie ist das zu verstehen? Müssen wir jetzt befürchten, dass die SCL Tigers auch gegen Lausanne so untergehen wie damals 2011, als sie gegen den SC Bern in lediglich vier Spielen ihre Saison ziemlich sang und klanglos beendeten? Auszuschliessen ist es nicht. Weil in den Playoffs grundsätzlich nichts ausgeschlossen werden kann. Ebenosgut können die Langnauer die Serie aber auch gewinnen. Doch der Treffer für den LHC von Cory Emmerton anderthalb Minuten vor Schluss veränderte so ziemlich alles in der Tabellenmitte. Denn auf den ersten Blick hat dieser Treffer die Chancen sowohl der Langnauer (ein wenig) wie auch von Ambri (dramatisch) verschlechtert.

Statt gegen den EHC Biel müssen die Tiger nun gegen den HC Lausanne ran. Hätten sich die Langnauer gegen Lausanne in die Verlängerung gerettet, wäre sogar noch das Heimrecht im Bereich des Möglichen gewesen. So aber liegt das Heimrecht bei den Waadtländern. Diese gewannen in den Direktbegegnungen gegen die Langnauer neun von zwölf möglichen Punkten. Wir erkennen unschwer: das wird nicht leicht für die Tiger.

Bitter wird es aber vor allem auch für Ambri. Diese dürfen nun nicht gegen Lausanne, sondern müssen gegen Biel ran. Oberflächlich betrachtet ist doch das gehupft wie gesprungen. Zumindest für die Langnauer wäre dies (fast) so gewesen. So nebenbei sei erwähnt, dass die Emmentaler mit 5:7 Punkten auch gegen die Seeländer eine negative Bilanz ausweisen. Doch eben. Langnau ist nicht Ambri.

Der HC Ambri Piotta gewann gegen die EHC Biel in dieser Saison keinen einzigen Punkt. 1:5, 0:6, 0:3 und 1:3 lauten die deutlich negativen Resultate der Leventiner gegen die Seeländer. Ein Desaster! Vor allem, wenn man diese Resultate mit der Bilanz vergleicht, welche die Mannschaft von Coach Luca Cereda gegen den HC Lausanne vorzuweisen hat. 4:1, 2:1, 3:0 und wieder 2:1 lauten die vier Resultate der Begegnungen dieser beiden Mannschaften in der Qualifikation. Alle Spiele von Ambri gewonnen. Alle Siege in der regulären Spielzeit. Null Punkte für den HC Lausanne gegen Ambri.

Im Nachhinein wird klar, weshalb der HC Lausanne gestern in Langnau im letzten Drittel derart viel Gas gab. Natürlich rechnete Coach Ville Peltonen, dass Ambri sein letztes Spiel zuhause gegen Rapperswil gewinnen wird. Und natürlich wurde ihm spätestens in der zweiten Drittelspause klar, dass der EHC Biel in Davos verlieren würde. Hätten die Lausanner gestern in die Verlängerung gemusst, wären sie zwar ebenfalls Dritter geworden, und zwar völlig egal, ob sie die Partie noch gewonnen hätten oder nicht. Aber auf Platz sechs wäre dann Ambri gewesen. Und hätten sie das Spiel noch in der regulären Spielzeit verloren, hätte der Gegner zwar - wie jetzt auch - ebenfalls Langnau geheissen. Aber das Heimrecht hätte dann den Emmentalern gehört.

Wenn wir die Partie von gestern in der Ilfishalle nochmals Revue passieren lassen, so erinnern wir uns, dass vor allem das Startdrittel nicht besonders intensiv gewesen ist. Bereits im Mitteldrittel änderte sich dies merklich. Und im Schlussdrittel gaben die Lausanner so richtig Gas. In den Schlussminuten erdrückten sie die Tiger fast. Jetzt wissen wir auch, weshalb.

So erfuhren die relativ playoff-unerfahrenen Langnauer gestern, was sie in den Playoffs erwarten wird. Sie können sich nun darauf einstellen. Wenn die Serie am Samstag beginnt, wird auch Leitwolf Chris DiDomenico wieder mit dabei sein. Es ist ihm und den SCL Tigers zu wünschen, dass er sich im Griff hat. Was nicht leicht sein wird, denn ihm wir das "sich im Griff haben" gerade in solchen Serien bestimmt nicht leicht gemacht. Sprich: er wird provoziert ohne Ende. Doch DiDo wird auch Akzente setzen. Er wird seiner Mannschaft zusätzliche Energie verleihen. Seine Präsenz kann den Unterschied ausmachen.

Dass die Plaoyffs andere Gesetze haben, ist für die SCL Tigers positiv zu werten. In der Qualifikation waren es 3:9 Punkte zugunsten der Lausanner, wobei drei Partien einen knappen Ausgang nahmen. Für den Ausgang der Playoffs heisst dies nichts. Favorit ist zwar der HC Lausanne. Aber die Chancen der Langnauer sind intakt. Taktikfuchs Heiz Ehlers muss und wird sich das Notwendige einfallen lassen.

Darauf, dass die Playoffs eigene Gesetze haben, muss ganz stark auch bei Ambri gehofft werden. Denn für die Leventiner braucht es wirklich einen grossen Sprung. Die deutlichen Niederlagen aus der Qualifikation zeigen, dass der EHC Biel dem HC Ambri-Piotta gar nicht liegt. Es muss ziemlich viel geschehen, damit auch in dieser Serie die Playoffs eigene Gesetze haben dürfen. Etwa gleich unwahrscheinlich schien vor der Saison eine Playoff-Qualifikation von Ambri. Eben.

Schön wäre es, die beiden Dorfklubs in den Halbfinals zu sehen.