Die Noten der SCL Tigers:

Wie sich ein Statistiker irren kann

Vor zwei Tagen war auf dem Internetportal «watson.ch» (für welches auch Klaus Zaugg schreibt) die etwas verfrühte Halbzeit-Notengebung von Statistiker Adrian Bürgler zu lesen. Sie fällt für die SCL Tigers vernichtend aus. Ein Paradebeispiel, weshalb man bei der Beurteilung nicht nur auf das Papier schauen kann.

Blog • • von Bruno Wüthrich

VR-Präsident Peter Jakob ist mit seinen SCL Tigers aktuell ziemlich gut unterwegs

 

Zu seiner Benotung (Note 3,75) schreibt Adrian Bürgler: «Aktuell liegen die Tigers noch knapp über einem Playout-Platz und das muss eigentlich als Erfolg gewertet werden. Doch wer bei Langnau genauer hinschaut, sieht, dass bei dieser Mannschaft nur wenig zusammenpasst. Die Tigers stellen nach Ajoie die schlechteste Verteidigung der Liga – nicht nach Toren, sondern nach zugelassenen Chancen pro 60 Minuten 5-gegen-5-Eishockey. Noch kein einziger Spieler hat die Marke von 15 Punkten geknackt, was zeigt, dass nicht einmal mehr die Ausländer im Emmental dominieren können. Dass Langnau nicht ähnlich abgeschlagen wie Ajoie ist, hat nur einen Grund: Stéphane Charlin. Der junge Genfer ist bislang der beste Torhüter der Liga. Ein Gegentorschnitt von 1,63 und eine Fangquote von 95,2 Prozent. Charlin hat die Langnauer bei 5-gegen-5 gemäss Expected Goals schon vor 13 Gegentoren bewahrt.»

Ich bin selbst kein Eishockey-Fachmann und auch kein Statistik-Fan. Aber selbst als Laie kann ich nicht anders, als mich über so viel Blödsinn zu wundern. Dabei zweifle ich weder die Statistiken noch die Kompetenz von Bürgler an (darüber weiss ich nichts), sondern unterstelle ihm, dass er im Fall der SCL Tigers sich einzig und allein auf die Statistiken verlassen hat. Nehmen wir doch seinen Text mal etwas auseinander.

Bürgler setzt die Langnauer auf Rang 10, schreibt aber dazu, dass sie ohne Torhüter Stéphane Charlin ähnlich abgeschlagen dastehen würden wie der HC Ajoie. Also setzt er das Team von Thierry Paterlini eigentlich auf Rang 13. Die Langnauer liegen aber – zwei Tage nach Erscheinen der Notengebung – auf Rang 8. Bürgler schreibt auch, die SCL Tigers hätten, nach Ajoie, die schlechteste Verteidigung der Liga und würden lediglich wegen Stéphane Charlin mit so wenigen Gegentoren dastehen. Ohne Charlin hätten, so Bürgler, die Emmentaler 13 Gegentore mehr kassiert. So sage es die Statistik über die «Expected Goals». Die Expected Goals sagen aus, wie viele Treffer aus den unterschiedlich guten Chancen der Teams hätten fallen müssen. Sie bewerten jede Torchance mit einem entsprechenden Prozentwert.

Was Bürgler übersehen hat, ist, dass die SCL Tigers selbst mit 13 Gegentreffern mehr in dieser Wertung im vorderen Mittelfeld liegen würden. Sie hätten dann nämlich 68 Gegentore erhalten und lägen damit gemeinsam mit dem SC Bern auf Rang 6.

Dass die SCL Tigers ihrem Torhüter derzeit viel zu verdanken haben, steht ausser Frage. 13 Gegentreffer mehr wären schon ein paar Punkte weniger. Aber wäre die Defensive der Langnauer so schlecht, wie Bürgler behauptet, könnte auch Charlin nicht viel ausrichten.

Was in Bürglers Beurteilung ebenfalls nicht einfliesst, ist die lange Verletzungsmisere bei den SCL Tigers. Im gestrigen, mit 4:1 gewonnenen Heimspiel gegen Ambri traten die SCL Tigers erstmals seit dem 7:0 Heimsieg gegen den HCD (das war in Runde 4 !!!) wieder einmal mit sechs Ausländern an. Nun könnte man monieren, dies habe in einer Beurteilung nichts zu suchen. Doch zum Beispiel bei den Lakers, die mit der exakt gleichen Punktzahl wie die Tiger, aber mit zwei Spielen mehr einen Rang hinter den Langnauern liegen, und die im übrigen 21 (!!!) Gegentreffer mehr kassiert haben, hat er die Verletzten berücksichtigt und die Mannschaft auf Rang 8 gesetzt und mit der Note 4,5 bewertet.

Bei der Beurteilung der Offensive hat der Watson-Statistiker aber recht. Die Offensive der Langnauer ist bisher einiges schuldig geblieben. Dieses Urteil war jedoch nicht schwer zu fällen. Man braucht nur auf die Anzahl der erzielten Tore zu schauen, und dann weiss man es. Kein Team hat weniger Treffer erzielt als die Emmentaler. Aber auch dies ist zum Teil den vielen Verletzten geschuldet. Wie wichtig zum Beispiel die Ausländer in Langnau sind, haben wir im gestrigen Spiel gegen Ambri gesehen. An sämtlichen vier Treffern waren die Ausländer beteiligt.

Meine Notengebung

Ich vergebe für die bisherige Saison, welche lediglich für den SC Bern (26 ausgetragene Partien) bereits in der Halbzeit angelangt ist (die Langnauer haben noch drei Partien zu bestreiten) gleich drei Noten. Eine für die Mannschaft inklusive Coaching-Staff und Sportchef, eine für die sportliche Führung der gesamten Unternehmung (hier ist ausdrücklich nicht der Sportchef gemeint), und eine für die Führung der gesamten Unternehmung. Ich erlaube mir, dazu einige Erlärungen beizufügen.

Sportliche Leistung: Note 5

Angesichts der Tatsache, dass die SCL Tigers lediglich fünf der bisher 23 ausgetragenen Partien mit sechs Ausländern bestreiten konnten, ist der bisher erreichte 8 Rang schon fast sensationell. Einzig die offensiven Werte verhindern unter diesen Umständen eine noch bessere Benotung. Trotzdem darf man mit der Leistung der Mannschaft rundum zufrieden sein.

Unternehmensführung im sportlichen Bereich: Note 4,25

Hier fliesst mit ein, dass es ein grosses und vor allem ein schwierig abwägbares Risiko war, so viele Partien mit weniger als der erlaubten Anzahl von Ausländern zu spielen. Mir geht es dabei nicht darum, dass deswegen allenfalls die Playoffs verpasst werden könnten, sondern, dass darob die Mentalität der Mannschaft derart hätte leiden können, dass eine langanhaltende Krise die Folge hätte sein können. Sogar der Abstieg wäre in einem solchen Fall nicht ganz auszuschliessen gewesen. Weil alles gut gegangen ist (und weil man die Nerven behalten hat) habe ich die Note von 4,0 auf 4,25 aufgebessert. Und nochmals: hier ist der Sportchef nur soweit mitgemeint, als er Mitglied der Geschäftsleitung ist. Wenn ihm die Finanzen nicht zur Verfügung stehen...

Führung der gesamten Unternehmung: Note 5,5

Wer in einer Region wie dem Emmental in der Lage ist, in einer Top-Publikums-Sportart wie Eishockey eine Mannschaft in der obersten Liga des Landes zu stellen, hat schon mal grossen Respekt verdient. Das bedeutet eben nicht nur Sport. Da ist auch ganz viel «wirtschaften» dabei. Die Organisation muss sich gegen Konkurrenz aus den Grossstädten, zum Teil mit milliardenschweren Mäzenen behaupten und tut dies bisher souverän. Mehr noch: Langnau verfügt inzwischen über eine topmoderne Infrastruktur in sämtlichen Bereichen. Zudem hat sich das, was ich bei der Beurteilung im Sport negativ gewichtet habe, in der Gesamtbeurteilung positiv ausgewirkt (man hat in einer schwierigen Situation die Nerven behalten). Wenn die SCL Tigers langfristig überleben wollen, dürfen sie nicht allein den sportlichen Erfolg im Fokus haben. Auch wenn – und dies darf nie aus den Augen verloren werden – das Streben nach sportlichem Erfolg in der DNA einer jeden Sport-Unternehmung stecken muss. Und das nicht zu knapp!